Bevor ich mich am 1. September mit dem ICE auf den Weg nach Kopenhagen zum Erasmus-Auslandssemester gemacht habe, bin ich innerlich immer wieder meine Liste der lebensnotwendigen Unterlagen durchgegangen, ohne die das Leben schwer werden würde: Krankenversicherung, Fahrkarte, Immatrikulatiosbescheinigung und – Reisepass. Reisepass?
Ja, Reisepass. Dänemark ist seit Kurzem anders als die anderen EU-Staaten: Bekanntermaßen sollen Einreisende wieder Ihre Papiere vorzeigen müssen, wenn Sie danach gefragt werden. Dabei wird doch gerade die Freizügigkeit im Schengen-Raum zu Recht als größte Errungenschaft des vereinten Europas immer gern hochgehalten. Nicht im rechtsliberal regierten Dänemark: Wer einreist und länger bleiben will, muss sich einer aufwändigen bürokratischen Prozedur unterwerfen, stundenlang Schlange stehen, Auskünfte über Familie geben, Zweck des Aufenthalts darlegen und sensible Daten nennen – und das nur, um hier bleiben zu dürfen und eine so genannte CPR-Nummer zugeteilt zu bekommen. Ohne die geht hier nichts, man könnte sie auch genauso gut „Lebensberechtigungsnummer“ nennen – denn ohne CPR-Nummer gibt es keinen inländischen Krankenversicherungsschutz, keine Vertragsfreiheit, nichtmal einen vollumfänglichen Bibliotheksausweis. Das ist schlecht, wenn Menschen sich dazu entschließen, hier einen Teil ihres Studiums oder gar ihr Leben zu verbringen.
Diese absurde rückwärtsgewandte Politik hat das Land einer populistischen ausländerfeindlichen Regierung zu verdanken, namentlich dem seit zehn Jahren herrschenden „Blauen Block“ mit Anführer Rasmussen. Doch dessen Tage sind vorerst gezählt: Zwar mit knapper aber eindeutiger Mehrheit sprach sich die dänische Bevölkerung am Donnerstag für eine linke Volksvertretung und damit für eine Regierung mit der Sozialdemokratin Thorning-Schmidt an der Spitze aus. Überall ist die Erleichterung über dieses Ergebnis zu spüren. Thorning-Schmidt möchte die absurden Passkontrollen, die auf dem Mist der mehrheitsbeschaffenden nationalistischen „Dänischen Volkspartei“ gewachsen ist, sofort wieder abschaffen. Richtig so.
Doch es gibt noch mehr zu tun im Land der fünfeinhalb Millionen Däninnen und Dänen. Denn auch wenn das Sozialsystem auf festen Füßen zu stehen scheint, ist auch Dänemark noch längst keine „klassenlose Gesellschaft“, wie es manche einem weismachen wollen. Es ist ganz klar, welche Bevölkerungsgruppen mehrheitlich im luxuriösen schlossnahen Kopenhagener Stadtkern und welche in den „Brückenquartieren“ wie Nørrebro wohnen. Ein reichlich ausgestatteter Wohlfahrtstaat darf nicht dazu dienen, strukturelle soziale Ungerechtigkeit nur zu übertünchen, eventuell vergrößert er sogar noch die Gräben. Ein sich als „rot“ bezeichnendes Bündnis muss auch zu seinem Markennamen stehen und muss das ganze Bild betrachten. Das könnte bei neun Parteien im Parlament und einer liberal durchsetzten Regierungsfraktion schwer werden.
So bleibt vorerst nur die Hoffnung, dass sich Dänemark nicht nur aus seiner Position als „schwarzes Schaf“ der EU wieder befreit, sondern die Probleme auch an der Wurzel packt. Den Reisepass zu Hause zu lassen ist zwar ganz schön, noch erheblich besser ist es aber, in einer Gemeinschaft zu leben, wo Frieden, soziale Gerechtigkeit und Toleranz nicht nur widerrufbare Floskeln auf Pappplakaten sind.
Denis Newiak, 22 Jahre, Student der Europäischen Medienwissenschaft an der Universität Potsdam,
derzeit an der Universität Kopenhagen eingeschrieben
Klingt ja alles sehr positiv. :)Ich wotlle dir nur sagen, dass ich deinen Blog toll finde. Ich lese ihn schon seit einiger Zeit und er ist immer wieder inspirierend. Du kommst dadurch ungemein sympathisch auf mich rfcber. Deshalb wfcnsche ich dir noch alles Gute, mach weiter so und lass dich nicht vom Leben unterkriegen. Du machst das alles wunderbar.Deine Leserin, Mia.