#ksableibt: Die Kurt-Schumacher-Akademie in Bad Münstereifel darf nicht verscherbelt werden!

Fragen zur Zukunft zur Gesellschaft werden hier beispielsweise bei einem stipendiatischen Seminar zur interdisziplinären Glücksforschung (Juni 2013) bearbeitet. (Foto: privat)
Fragen zur Zukunft unserer Gesellschaft werden hier beispielsweise bei einem stipendiatischen Seminar zur interdisziplinären Glücksforschung (Juni 2013) bearbeitet. (Foto: privat)

150 Stipendiat_innen der Friedrich-Ebert-Stiftung haben sich folgendem offenen Protestbrief angeschlossen und so ein öffentliches Zeichen gesetzt gegen die geplante Schließung der Kurt-Schumacher-Akademie in Bad Münstereifel, der in diesen Tagen dem Stiftungsvorstand zugeht:

Sehr geehrter Herr Beck,
sehr geehrter Vorstand der Friedrich-Ebert-Stiftung,

mit Ihrer Entscheidung, dass die Kurt-Schumacher-Akademie in Bad Münstereifel Ende dieses Jahres ihren Betrieb einstellen soll, sind Sie in den Augen vieler Stipendiat_innen der Friedrich-Ebert-Stiftung einen nicht nachvollziehbaren Weg gegangen. Wir möchten mit diesem Brief entschieden gegen die Pläne protestieren und fordern Sie dazu auf, diese zu widerrufen und die Akademie mit samt ihren Werten, Erinnerungen und politischen Idealen zu erhalten.

Für etwas mehr als eine Million Euro möchten Sie einen Teil der Geschichte der Sozialdemokratie und damit auch ein Stück bundesrepublikanische Geschichte verscherbeln – ein fast lächerlicher Preis, der nicht annähernd den Wert der Akademie für uns Stipendiat_innen beschreibt. In unseren Augen drückt der Preis eine Geringschätzung gegenüber unseren Werten und nicht zuletzt gegenüber den Mitarbeiter_innen der Akademie aus: Praktisch durchgängig werden in der Akademie von einem engagierten Team beispielhafte Seminare angeboten, deren progressiver Impuls und generationenübergreifender Gestus so manche Politik in den Schatten stellt.

Die Kurt-Schumacher-Akademie war nicht nur die Geburtsstätte für sozialdemokratische Bewegungen in Europa oder die Wiege für Brandts “mehr Demokratie”, sondern ist bis heute eine Schmiede für Ideen, wie wir im 21. Jahrhundert leben wollen. Menschen verschiedenster Herkünfte und Sozialisierung erarbeiten gerade in diesem Moment neue Vorstellungen von Arbeit, Glück, Frieden, Demokratie, Europa und Menschlichkeit. Mit Ihrer Entscheidung fühlen wir uns genau um diese sozialdemokratischen Werte betrogen: Statt um “gute Arbeit” und “Bildung für alle” geht es nur um vermeintliche Effizienzsteigerungen und die Aussicht auf das schnelle Geld.

Für Sie, Herr Beck, sei die Akademie “nicht mehr zeitgemäß”. Sind Sie sich dessen bewusst, was Sie damit genau meinen? Hier arbeiten Menschen zum großen Teil in sozialversicherungspflichtigen Verhältnissen, servieren ökologisch verantwortungsvolle und klug zubereitete Kost aus der Region (die so manche Fleischliebhaber_innen zu Veganer_innen werden ließ), bieten den Freiraum zum gesellschaftspolitischen Austausch unabhänig vom sozialen Status. Wir widersprechen Ihnen: Sie werden in der Bundesrepublik kaum eine Einrichtung der Erwachsenenbildung finden, die in dieser Form vorlebt, was es heute bedeutet, althergebrachte Irrtrümer hinter sich zu lassen und zu zeigen, dass unsere Visionen von Arbeit, Wirtschaft und Ökologie lebbar sind.

Wir Stipendiat_innen teilen alle unsere ganz individuellen Erinnerungen an diesen Ort: die bis tief in die Nacht reichenden Bierkeller-Gespräche über die Perspektiven unserer Gesellschaft mit “Willy” an der Wand; wenn morgens das Licht über der Eifel aufgeht und beweist, dass es sich lohnt, die Hoffnung auf eine Politik, die ihren Namen verdient, nicht zu verlieren; die Klarheit darüber, dass wir die Dinge tun, weil sie uns etwas bedeuten und nicht weil wir nur dem Geld oder der Macht hinterher rennen, wenn wir begeistert feststellen, was das Personal im ganzen Haus jeden Tag für kleine Wunder vollbringt. Diese Vorstellungen verbinden uns Stipendiat_innen und schaffen Identität, die sonst gelegentlich vermisst wird. Mit der Akademie möchten Sie uns genau diese Gemeinschaft nehmen – genauso wie allen anderen Zehntausenden Seminarteilnehmer_innen, für die dieses Haus ein Teil ihrer eigenen Biografie geworden ist.

Gegen die Entscheidung regt sich überall Widerstand: SPD-Ortsvereine haben sich positioniert, Online-Petitionen wurden ins Leben gerufen, Leserbriefe geschrieben. Selbst der CDU haben Sie die Chance zur berechtigten Kritik geliefert: Selbst wenn man “wirtschaftliche” Gründe für wichtig erachten würde, sollte auch bedacht werden, dass die “Wirtschaft” nicht die Friedrich-Ebert-Stiftung ist, sondern Bad Münstereifel auch ein Ort, der wie kaum ein anderer in der Region von seinen Besucher_innen lebt.

Die "KSA" in Bad Münstereifel bietet schöne Ausblicke: darauf, wie wir in Zukunft leben wollen und was Demokratie wirklich bedeutet. (Foto: privat)
Die „KSA“ in Bad Münstereifel bietet schöne Ausblicke: darauf, wie wir in Zukunft leben wollen und was Demokratie wirklich bedeutet. (Foto: privat)

Kühl lassen Sie in der Objektbeschreibung schreiben: “Insgesamt rd. 1.333 Quadratmeter Nutzfläche, 22 Gästezimmer, Seminarräume, … diverse Schulungs- und Aufenthaltsräume”. Doch dieses Haus bedeutet mehr als ein Kaufpreis, seine Pat_innen sind mehr als “sozialverträgliche Lösungen”, und seine Gäste nicht einfach Urlauber_innen auf der Suche nach “erholsamer Ruhe”.

Sollten Sie bei Ihrer Entscheidung bleiben, geben Sie vielen jungen Menschen, die in der Hoffnung auf eine neue echte Sozialdemokratie Teil der Friedrich-Ebert-Stiftung geworden sind, den letzten Hieb. Irgendwann könnte es kaum noch jemanden geben, die oder der die Kraft dazu hat, ein letztes Mal beide Augen zuzudrücken, wenn gemeinsame Werte verraten werden.

Wir bitten Sie: Revidieren Sie Ihre Entscheidung und ermöglichen Sie, dass die Kurt-Schumacher-Akademie Ihre Arbeit fortsetzen kann!

Hochachtungsvoll,
Die unterzeichnenden Stipendiat_innen der Friedrich-Ebert-Stiftung

Alexander Vowinkel, Michael Hermann, Daniel Stenzel, Marina Finnern, Florian Schluckebier, Matti-Léon Klieme, Jonathan Roth, Anna Zachmann, ulian Wacker, Philipp Schmidt, Wesam Mohammed, Philipp Schultheiss, Ninon Franziska Thiem, Theresa Krause, Aida Khachatrya, Daniel Schreiner, Kristina Ulm, Maximilian Locher, Kena Henrietta Stüwe, Steven Seifert, Sarah Zitterbarth, Sylvia Gaßner, Janna Articus, Maura Magni, Kai Burmann, Julian Schweitzer, Anja Folberth, Stefan Brach, Anne Overbeck, Paul Sobota, Hans-D. Müller, Marc Frick, Angelika Schenk, Aneska Bongartz, Ines Strohm, Christina Meiser, Arndt-Hendrik Zinn, Charly Heberer Paul Löwe, Victor Pacyna, Christian Ziem, Annika Giersiepen, Lena Sterzer, Martin Musch, Alexander Konrad, Anna Steinmann, Florian Heusinger von Waldegge, Aljoscha Ziller, Sebastian Wenz, Laura Heeder, Tim Hoff, Marius Mazziotti, Maya Modrow, Julian Schäfer, Julia Caspers, Stefan Plenk, Benjamin Werner, Sven Gramstadt, Jürgen Tobisch, Tom Schmidt, Timo Wölfl, Thilo Sander, Marcel Will, Tizian Relke, Eva Schüle, Jan Luca Naumann, Christoph Schlimpert, Tim Steinmetzge, Lynn Schmittwilken, Benjamin Eurich, Mirko Griesel, Miriam Noa, Simone Karlstetter geb. Wieland, Richard Kemmerzehl Michaela Höfler, David Tchakoura, Bianca Ritter, Marius Grünewald, Björn Reschke, Marcel Fernandes, Katja Albers, Nele Zareh, Raana Ghazanfarpour, Ruben Werchan, Valentin Ludwig, Lukas Krüdener, Anja Thuns, Ruth Malzkorn, Ksenia Kuleshova, Jonas März, Elisabeth-Dorothea Lutz, Magdalena Wagner, Franziska Ulrich, Jaqueline Zipfel, Jonas Ganter, Alexander Ziegler, Jan Willing, Matthias Genchi, Denes Kücük, André Pfannenschmidt, Sebastian Lotto-Kusche, Ulrich Sattler, Friedrike Preu, David Soto Setzke, Jonas Jordan, Patrick Böhm, Benjamin Weber, Konstantin Flemig, Sabrina Schmidt, Christiane Buhl, Moritz Piffko, Dominik Felix, Sophie Gatzsche, Runa Wohlthat, Iris Goldschmidt, Marie Johanna Trautmann, Sophia Hunger, Sarah Langenstein, Frank Echsler, Kai Burmann, Madlen Schäfer, Matthias Krülls, Lukas Jerg, Helena Bechtle, Marlene Weck, Salome Adam, Martina Sand, Walid Malik, Tim Göbbels, Martin Schröder, Waleria Nichelmann, Flora Fabri, Lisa Hartlmüller, Susanne Czaja, Aylin Berktas, Lorena Mohr, Lisa Kühn, Katrin Hofmann, Abigail Suwala, David Siedke, Fillip T, Christoph Becker, Jan Gregor Triebel, Christian Günthner, Duygu Tut, Franziska Kaiser, Matthias Glomb, Sebastian Jakob, Christian Böttcher, Ann-Kristin Lensing, Iskandar Ahmad Abdalla, Frieder Kurbjeweit, Kuleshova Ksenia, Anastasiia Lebedeva, Denis Newiak, Therese Schedifka

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