Seit nun gut zwei Jahren geht auf den Köpfen der Weltbevölkerung ein medialer Dauerhagel nieder, der voll ist von unreflektierten Vorwürfen, den Lebensverhältnissen fernen Forderungen und chauvinistischen Verallgemeinerungen. Jeden Tag muss sich die von Sparpaketen und Beleidigungen gebeutelte griechische Bevölkerung mehr Beschimpfungen gefallen lassen, die selbst in den „seriösen“ Medien noch zugespitzt und dramatisiert werden. Überall ist seit einer gefühlten Ewigkeit die Rede davon, die Griechen hätten „über ihre Verhältnisse gelebt“, die Griechen seien „alle Beamte, die mit 50 in Rente gehen“, die Griechen seien „für den Untergang des Euros verantwortlich“. Dass diese Rhetorik, die von den Tageszeitungen, Nachrichtensendungen und „Experten“ zunehmend auf Familienrunden, freundschaftliche Gespräche und Stammtischrunden übergeht, an einer gefährlichen Schwelle zur Vollverurteilung einer ganzen Nation steht, merkt inzwischen niemand mehr: Erst sollen die Griechen den „Liberalen“ zufolge ihre Inseln verkaufen (geschichtsvergessener geht es kaum), dann lieber gleich ganz raus aus der EU, nun sollen sie sich „gesundsparen“ ‒ besser gesagt: Die Bevölkerung soll am Besten ihr gesamtes Vermögen per Bankeinzug an die Großbanken übertragen und dafür noch selbst die Transaktionsgebühren zahlen.
Was ist hier passiert? Was haben uns denn die Griechen getan, dass auf sie seit zwei Jahren verbal-massenmedial eingedroschen werden muss? Zweifelsfrei: Im Staate Griechenland ist einiges falsch gelaufen und das muss nicht beschönigt werden ‒ doch muss mehr differenziert, es müssen die wirklich Schuldigen benannt werden: All die Probleme, mit denen jetzt gekämpft wird, sind vom Staat und seinen selbstsüchtigen korrupten Vorstehern verursacht worden, und nicht von den so dargestellten „nimmersatten“ und „raffgierigen“ Griechen im Allgemeinen, die vom Existenzminium leben. Dass die Staatsverschuldung (die ja kein griechisches Phänomen ist, sondern beinahe jeden öffentlichen Haushalt ausmacht und selbst den vermeintlichen Wirtschaftsriesen USA noch vor nicht allzu langer Zeit fast in den Bankrott getrieben hätte) vor allem seit den griechischen Parlamentswahlen 2004, also unter der konservativen Regierung, angehäuft wurde, die jetzt laut schreit, ist ein geschichtlicher Zynismus. Und dass selbst der Internationale Währungsfonds inzwischen zur weisen Erkenntnis gekommen ist, dass eine weitere Verschärfung der ohnehin schon harten Sparmaßnahmen die griechische Wirtschaft eher weiter schwächen statt stärken wird, bestätigt nur, dass die neoliberale Denkweise des „schlanken Staates“ und einer sich selbst heilenden Marktwirtschaft (die schon dafür sorgen werde, dass genügend Kindergärten, Schulen und Jugendzentren gebaut, Renten gezahlt und Forschung betrieben wird) der einzig wahre Bankrott in dieser verlogenen Geschichte ist.
Doch diese Meldungen werden bestenfalls in einer kleinen Randnotiz verarbeitet ‒ gefolgt von der üblichen Rede über eine „griechische Tragödie“, die doch eher die Tragödie der sich in unauflösbaren Widersprüchen verzettelnden und gegen eine Wand aus übermächtigen Großkonzernen rennenden Weltwirtschaft ist. Europa hat seinen Sündenbock gefunden ‒ nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte ‒, während diejenigen, die es tatsächlich ordentlich verbockt haben, wieder einmal ungeschoren davon zu kommen scheinen.
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